AUCH WENN DU VON DER SCHÄRFENTIEFE KEINE AHNUNG HAST
Als ich Wellenreiten lernte, hatte ich bereits am zweiten Tag eine Kontaktlinse im Meer verloren.
Abstand der Welle falsch eingeschätzt, vom Brett gespült worden, im Wasser die Orientierung verloren, Augen geöffnet. Weg war sie.
Weshalb ich nicht gleich ohne Linsen raus bin? Berechtigte Frage.
Bist du schon mal kurzsichtig auf einem Surfbrett gesessen? Hast versucht, die Entfernung der herankommenden Welle abzuschätzen?
Tja, so in etwa fühlt sich dann die geringe Schärfentiefe für das menschliche Auge an.
Mehr Spaß bereitet es mir, wenn ich den unscharfen Hintergrund an meiner Kamera einstelle.
Ich gebe ihr exakt vor, welcher Bereich des Bildes scharf und welcher unscharf abgebildet werden soll.
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DEFINITION SCHÄRFENTIEFE
Mit dem Fokuspunkt bestimmst du den Bereich deines Bildes, auf den du scharf stellen willst. In der Grafik liegt er auf dem Kopf der gelben Figur.
Deine Kamera bildet die Ebene scharf ab, auf der sich der Punkt befindet. Und bis zu einem gewissen Grad auch alles davor und dahinter.
Die Ausdehnung des scharf erscheinenden Bereichs ist die Schärfentiefe. Du erkennst sie an den kräftigen Farben.
Je nachdem wie groß diese Ausdehnung ist, weisen deine Bilder:
- eine geringe Schärfentiefe (Grafik 1: unscharfer Vorder- und Hintergrund)
- eine mittlere Schärfentiefe (Grafik 2: leicht unscharfer Vorder- und Hintergrund)
- oder eine hohe Schärfentiefe auf (Grafik 3: Bild fast durchgehend scharf)
Beispiel: geringe Schärfentiefe (unscharfer Vorder- und Hintergrund) mit Weitwinkel-Objektiv
ANWENDUNGS-BEISPIELE
Du kannst die Schärfentiefe gezielt einsetzen, um folgende Wirkungen zu erzeugen.
#1: Blick des Betrachters lenken
Mit einer geringen Schärfentiefe lenkst du den Blick. Wohin siehst du zuerst? Welches Detail/ Motiv nimmst du zuerst wahr? Den Bug oder das Ufer?
#2: Betonen wichtiger Bildelemente
Mit der selektiven Schärfe, lenkst du den Blick auf wesentliche Elemente.
Du betonst, was dir wichtig ist und setzt weniger Wichtiges zurück. Der Fokus liegt auf der Möwe.
Die Boote und das Meer sorgen für Kontext. Sie lenken durch die Unschärfe nicht vom Hauptmotiv ab.
#3: Spiel mit der Bildtiefe
Mit der Schärfentiefe verleihst du deinem zweidimensionalen Bild zusätzliche Tiefe.
Du erschaffst einen optischen Raum. Der unscharfe Vordergrund und der Verlauf des Stegs (ins Bild hinein) lenken den Blick in die Tiefe.
#4: Ausblenden unwichtiger oder störender Bildelemente
Der Hintergrund deines Bildes ist nicht wichtig oder lenkt unnötig ab? Durch die Unschärfe blendest du ihn aus.
Bist du in deiner Perspektive eingeschränkt oder hast einen ungünstigen Standort, dann nutze die Schärfentiefe.
#5: Durchgehende Schärfe (hohe Schärfentiefe)
Fotografierst du mit einer durchgehenden Schärfe, ist jedes abgebildete Objekt erkennbar.
Alles auf deinem Bild hat eine gleich hohe Wichtigkeit, nichts wird in den Vordergrund gehoben oder zurückgesetzt.
BEWUSST MIT SCHÄRFENTIEFE FOTOGRAFIEREN
Bilder mit einem unscharfen Hintergrund kannst du leicht selbst fotografieren. Du achtest auf folgende drei Faktoren und kombinierst sie miteinander:
Blende, Abstand zum Motiv und Brennweite
1) BLENDE
Je größer deine Blendenöffnung, umso geringer die Schärfentiefe.
- größere Blendenöffnung (kleiner Blendenwert) = geringere Schärfentiefe
- kleinere Blendenöffnung (großer Blendenwert) = höhere Schärfentiefe
Es gibt zwei Einschränkungen:
Immer den kleinsten Blendenwert auswählen, garantiert nicht automatisch geringe Schärfentiefe
Tipp: Kombiniere einen kleinen Blendenwert mit den Faktoren Brennweite und Abstand zum Motiv.
Geringe Schärfentiefe gelingt nicht mit allen Objektiven gleich gut
Tipp: Mit einer Festbrennweite erzielst du schnell und einfach geringe Schärfentiefe.
Aufgrund ihrer Konstruktion sind Festbrennweiten lichtstärker als Zoom-Objektive.
Die größere Blendenöffnung lässt mehr Licht in die Kamera. Und du kannst einen kleineren Blendenwert einstellen.
Für das Standard-Zoom oder ein Weitwinkel gelten die gleichen Faktoren. Du musst hier mit deinen Einstellungen experimentieren.
Schärfentiefe: Beispiele mit unterschiedlichen Objektiven
Festbrennweite 50mm, f/1.8
Standard-Zoom 18-55mm, f/3.5-5.6
Weitwinkel 11-16mm, f/2.8
Tipp:
Besitzt du eine Festbrennweite? Wunderbar. Damit gelingen dir leicht geringe Schärfentiefe-Aufnahmen aus sämtlichen Perspektiven
Bei Standard-, Tele- oder Weitwinkel-Objektiven wählst du ein Motiv, das dir ein Objekt im Vordergrund und Raum nach hinten bietet.
Fotografiere Testaufnahmen mit unterschiedlichen Blendenwerten. Beginne mit dem kleinsten Wert und vergleiche deine Bilder.
2) ABSTAND ZUM MOTIV
Neben dem Blendenwert, spielt der Abstand zum Objekt eine wichtige Rolle:
- je näher du dich am Motiv befindest, desto geringer wird deine Schärfentiefe
- je weiter du vom Motiv entfernt stehst, desto größer wird deine Schärfentiefe
Tipp:
Wähle ein Motiv aus und stelle einen kleinen Blendenwert ein. Fotografiere aus 2m Entfernung. Nähere dich deinem Motiv. Behalte Blendenwert und Brennweite bei.
Finger weg vom Zoom, damit änderst du die Brennweite. Du willst mit der Entfernung experimentieren und nicht dem Bildwinkel.
Gehe auf 20cm heran. Fotografiere erneut mit gleichem Blendenwert und Brennweite. Schau dir deine Bilder an. Welche Aufnahme gefällt dir am besten? Welche hat die geringste Schärfentiefe?
Teste jetzt auch beide Komponenten gleichzeitig. So bekommst du nach und nach ein Gefühl dafür, welche Entfernung und welche Blende mit deinem Objektiv schöne Aufnahmen produziert.
3) BRENNWEITE
Wie viel deine Kamera sieht, hängt von der Brennweite ab. Weitwinkelobjektive haben eine kleinere Brennweite (zum Beispiel 12mm) und dadurch einen großen Bildwinkel.
Sie werden oft für Landschaftsaufnahmen verwendet, da viel abgebildet werden kann.
Der große Bildwinkel verkleinert jedoch den Abbildungsmaßstab. Das ist das Verhältnis zwischen der Bildgröße eines Gegenstandes und seiner realen Größe.
Tele-Objektive besitzen durch die größere Brennweite (zum Beispiel 200mm) einen kleineren Bildwinkel. Auf der Aufnahme wird weniger abgebildet, dafür vergrößert sich der Abbildungsmaßstab.
Neben dem Motiv vergrößert sich auch der unscharfe Bereich auf dem Bild. Und das wirkt sich positiv auf eine geringere Schärfentiefe aus.
Du findest unscharfe Bereiche auch auf Weitwinkel-Aufnahmen. Durch den kleineren Abbildungsmaßstab fallen sie jedoch kaum auf.
Kombination der drei Faktoren für geringe Schärfentiefe:
Eine größere Brennweite, einen kleineren Blendenwert und möglichst nahe an das Hauptmotiv
TIPPS ZUR UMSETZUNG
√ Für Bilder mit geringer Schärfentiefe, die den Blick des Betrachters lenken sollen, benutzt du
- ein Standard-, Teleobjektiv oder eine Festbrennweite
- wählst eine größere Brennweite
- gehst näher an dein Motiv heran
- entscheidest dich für einen Fokuspunkt
- und wählst einen kleinen Blendenwert in der Zeitautomatik oder im manuellen Modus (zum Beispiel f4)
√ Für Bilder mit hoher Schärfentiefe, zum Beispiel für Landschaftsaufnahmen, stellst du
- eine kleine Blende (zum Beispiel f11) ein
- entfernst dich vom Motiv
- verwendest eine kleine Brennweite
- fotografierst mit Zeitautomatik (AV bzw. A) oder dem manuellen Modus
- überprüfst deine Belichtung
- und schaust mithilfe der Zoom-Funktion in deinem Display, ob sämtliche Bildbereiche scharf eingestellt sind
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